Donnerstag, 3. Januar 2019
Helfersyndrom
Ich kann/mag MEIN Inneres Kind NICHT leben, solange ich spüre, dass jemand in meinem Umfeld SEIN Inneres Kind NICHT lebt …

Wir alle sind empathisch. Und vielen Menschen wurde es abtrainiert, aus dem eigenen, inneren Impuls heraus zu leben. Wenn ich merke, dass da in meiner Nähe jemand ist (mein Kind (Sohn, Tochter) oder mein Partner oder ein/e Freund/in oder mein Kollege), der/die nicht so recht etwas mit sich selbst anzufangen weiß, dann fühle ich mich intuitiv „für deren Bespaßung“ zuständig.

Diese Menschen strahlen eine Energie von „Ich weiß nicht, was ich machen soll“ aus. Sie „schreien uns ohne Worte an“ und rufen: „Sei für mich da! Nimm Dir bitte Zeit für mich! Kümmere Dich um mich! Ich weiß einfach nicht, was ich jetzt machen soll.“

In einer solchen Situation ist es uns selbst schier unmöglich, uns mit einem guten Gewissen um uns selbst zu kümmern. Ziehen wir dennoch „unser Ding durch“, meldet sich irgendwo ganz tief in uns drinnen ein schlechtes Gewissen, ein Schuldgefühl, ein Gefühl von „wir sollten jetzt eigentlich etwas anderes tun“.

Kümmern wir uns dann tatsächlich um den anderen, so vernachlässigen wir unsererseits unser eigenes Inneres Kind. Wir kümmern uns um die Belange des Inneren Kindes des anderen und bleiben selbst auf der Strecke. In BEIDEN Fällen entstehen Schuldgefühle.

Kümmern wir uns um unsere eigenen Interessen, bleibt der andere auf der Strecke. Kümmern wir uns um den anderen, bleiben wir selbst auf der Strecke. Ein ganz dummer Teufelskreis.

In unserer Kindheit diente uns dieses Muster dafür, uns selbst NICHT zu leben und unsere eigenen gaben, Fähigkeiten, Talente und Qualitäten bedeckt zu halten, unter den Teppich zu kehren und zu verstecken (vor uns selbst und vor den anderen). Uns als Kind „um unsere Eltern und deren Probleme kümmern zu müssen“ war uns eine willkommene Ausrede, unsere eigene Größe (noch)nicht leben und erfahren „zu müssen“.

Dieses Muster von: „Ich bin gerne für den anderen da, dann habe ich gute Gründe, mich selbst NICHT zu leben“ begleitet uns seit unserer Kindheit bis heute. Es ist heute als Erwachsener unser großer Stolperstein, der uns vor tatsächlicher Erleuchtung „schützt“.

Und es fühlt sich irgendwie mies an, den hilflosen anderen „einfach fallen zu lassen“ wie eine heiße Kartoffel. Wie kommen wir da nun raus?

Loslassen bedeutet NICHT, den anderen gänzlich fallen zu lassen. Loslassen heißt nur, sich von der „Verantwortung für den anderen“ frei zu machen. Loslassen bedeutet, dem andere seine Verantwortung für sich selbst zu lassen. Ich muss nicht besser wissen, was für den anderen gut, schön, angebracht oder jetzt wichtig ist. Den anderen loszulassen bedeutet, ihm/ihr sein/ihr Schicksal zu erlauben.

Dies ist natürlich extrem schwierig, wenn der andere unter seinem selbst gewählten Schicksal leidet, laut jammert und klagt, den Hilflosen „miemt“ und unsere Hilfe dringend erbittet. Doch wir KÖNNEN ihm/ihr NICHT helfen. Er/sie KANN sich NUR SELBST helfen. Und wenn er/sie sich offensichtlich NICHT helfen kann, dann wählt er/sie offensichtlich jetzt genau diese Erfahrung.

Je existenzieller diese Lebenssituation für den anderen ist, desto schwieriger fällt es uns natürlich, ihn/sie zu lassen und ihn/sie auf seine/ihre Selbst-Verantwortung zurückzuwerfen.

Wir können sagen: „Ich kann nichts für Dich tun. Du kannst nur selbst etwas für Dich tun.“

Und der andere antwortet: „Ich kann auch nichts für mich tun. Ich habe alles versucht. Nur Du kannst mir helfen. Du bist meine letzte Hoffnung.“

Der andere sucht die Lösung also im Außen – in uns. Dies KANN NICHT funktionieren (so sehr uns dies auch schmeicheln mag). Er/sie wird die Lösung nur IN SICH SELBST finden können.

Jeder KANN sich nur selbst helfen. Und wenn er/sie meint, es nicht zu können, dann ist DIES sein/ihre momentane Entscheidung.

UNTERSTÜTZUNG kann hierbei eine Brücke sein. Unterstützung ist Hilfe zur Selbsthilfe. Unterstüt-zung bedeutet, dem anderen hilfreich zur Seite stehen, damit dieser sich selbst helfen kann (so gut es geht). Doch die volle Selbst-Verantwortung bleibt bei dem anderen. Ich trage KEINE Verantwortung FÜR den anderen. Ich unterstütze nur.

HELFEN begründet ein Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt den Hilfsbedürftigen und den Helfer. Der Hilfsbedürftige degradiert sich selbst zum Opfer. Helfen birgt in sich die Energie unglücklicher Ver-strickungen. Helfen ist die unbewusste Fortführung unserer kindlichen Abhängigkeit von unseren Eltern. Wer Hilfe braucht, wer meint, auf Hilfe angewiesen zu sein, ist innerlich in der Kindheit fest-stecken geblieben und hat den Schritt zum Erwachsen-Sein innerlich (energetisch) noch nicht vollzogen.

Ein Erwachsener kann einen anderen Erwachsenen sehr wohl unterstützen. Jeder behält seine Selbstverantwortung und sein volles Selbstwertgefühl. KEINER ist Opfer! Jeder tut, was er kann. Jeder übernimmt die volle Verantwortung für sein Tun und Handeln und Sein. Beide begegnen sich gleichberechtigt und auf Augenhöhe.

Wir können unsere eigenen Kinder zu hilfsbedürftigen Opfern erziehen, die uns ständig um Hilfe bitten. Oder wir können sie liebevoll begleiten, sodass sie zu selbstbewussten Erwachsenen heran reifen. Solche Menschen gehen aufrecht durchs Leben und verantworten alles, was sie tun, (vor sich) selbst.

Wie gehe ich nun mit einem Menschen in meiner Familie (oder in meinem Freundes- und Bekann-tenkreis oder bei der Arbeit) um, der gelernt hat, sich selbst als Opfer, als hilflos und als „ich kann nicht selbst die Verantwortung für mich tragen“ wahrzunehmen? Warum ist dieser Mensch in mein Leben getreten? Was hat dies MIT MIR zu tun?

Es spiegelt mir heute (es macht mir heute bewusst), a) welche Energie ich in meiner Kindheit von meinen Eltern aufgenommen und verinnerlicht habe. Mit dieser Energie identifiziere ich mich bis heute (zumindest teilweise). Und b) wird mir gespiegelt, dass ich mich selbst scheue, die volle Ver-antwortung für die Impulse und die Lebendigkeit meines eigenen Inneren Kindes zu übernehmen. In mir gibt es eine Energie, mit der ich mich als „Opfer der Lebendigkeit meines Inneren Kindes“ fühlen würde. Sprühe ich vor Lebendigkeit meines Herzens und lebe ich die Impulse meines Inneren Kindes, so kann ich meine Vernunft und meine Kontrolle getrost an den Nagel hängen.

Und jetzt ist die Kunst, hierzu Ja zu sagen: „Ja, mein freier Wille ist es, mein Inneres Kind lebendig und vital zu leben und meine Kontrolle und meine Vernunft an den Nagel zu hängen. Dies tue ich jetzt gerne, bereitwillig und freiwillig. Und dann lasse ich mich dann überraschen, was passiert …“

Somit habe ich das Gefühl, „Opfer zu sein von der Angst vor der Lebendigkeit meines Inneren Kin-des“ transformiert. Ich habe diese Angst erkannt und bereitwilligt durch mich hindurch gelassen, losgelassen und frei gegeben. Diese Angst darf nun heimkehren ins Licht. Und ich darf mich freuen auf die Freuden und Überraschungen meines Inneren Kindes.

Hiermit ist es mir gelungen, meinen Fokus zurück auf MICH zu nehmen, auf mein Inneres Kind mit seinen Wünschen und Bedürfnissen. Und was die anderen machen, ist deren Angelegenheit. Ich schau jetzt, was mein eigenes Herzensfeld und mein Inneres Kind in diesem Augenblick leben und erfahren möchten.

Unterstützung geht immer gerne …
Hilfe und Abhängigkeit war gestern …
Selbstverantwortung und Selbstliebe dürfen jetzt da sein und mich führen, lenken und leiten …

Und dann schau ich einfach mal, ob und was sich verändert …

Ich bin gespannt …