Rollen und wie wir in Rollen leben
Ich bin ich. Doch dieses Ich ist nur eine Rolle.
Heute beim Mittagessen haben meine Kinder Dedektiv gespielt. Sie haben mich ausspioniert, beobachtet, erforscht und mir Fragen gestellt. Und ich bin flugs in das Spiel mit eingestiegen. Es war ein Rollenspiel: Die Kinder waren nicht Kinder, sondern Dedektive. Und ich war nicht ich, sondern „ein komischer Kautz“.
In dieser Rolle spielte ich mit. Ich nahm einfach die Eigenschaften des „komischen Kautzes“ an, verstellte meine Sprache, antwortete merkwürdig, aufgesetzt und mit einer anderen Stimmmodulation und … - es machte total Spaß!
In dem Jetzt des Spiels hatte ich KEINE persönlichen Probleme, ich hatte KEINE Sorgen und ich machte mir KEINE Gedanken um meine Zukunft. Ich war einfach im Hier und Jetzt – im Spiel präsent. Und dies war ein sehr befreiendes Gefühl. Ja, es war gut. Es FÜHLTE sich gut an und es TAT GUT.
Woraus ich hinaus will: Rollen können hinderlich und hilfreich sein.
Solange ich in meiner Rolle, die ich mir als Kind zugelegt habe, feststecke und alle zu dieser Rolle dazugehörigen Attribute weiterhin erfülle, leide ich auch heute genauso wie ich meine ganze Kind-heit gelitten habe.
Jeder Schauspieler kennt das Phänomen, dass er, sobald er in eine andere Rolle schlüpft, jemand anderes IST. Denn ein guter Schauspieler ist nur dann ein guter Schauspieler, wenn er eben NICHT schauspielert, sondern die Figur IST, die er auf der Bühne darstellt. Er muss sich ganz mit ihr und allen zu dieser Rolle zugehörigen Attributen und Charaktereigenschaften identifizieren. Er muss diese Figur/Rolle SEIN!
Wollen WIR in unserem Leben ETWAS verändern, so KÖNNEN wir dies NICHT tun, solange wir in alten Rollen feststecken. HIER ist uns unser Ego eine große Hilfe, denn es ist von sich aus NICHTS, es ist (wie ich immer so schön sage) „ein leerer Eimer“. Und wir können mit unserem freien Willen ALLES, JEDE Rolle, in diesen Eimer hineinfüllen. Und dann SIND wir selbst diese Rolle, diese Figur, dieses (neue) Ego, dieser (neue) Mensch.
Und dies funktioniert mit ALLEM: Was für ein/e Liebhaber/in ich bin. Wie erfolgreich ich bin. Welche soziale Stellung ich habe. Ob ich gestresst oder entspannt bin. Ich brauche mir „nur“ in Gedanken ein neues Kostüm, eine neue Verkleidung, eine neue Rolle anzuziehen und schon BIN ich jemand völlig anderes. Und ich MUSS NICHT zurück in meine alten Muster.
Sehr gut gelingt uns dies zu Fasching, wenn wir uns tatsächlich verkleiden und „mal die Sau rauslassen“, was wir uns in unserem Alltagsoutfit niemals erlauben würden. Mit neuer Verkleidung geht es plötzlich. Unser Problem ist lediglich, dass wir meinen, wirder zurückkehren zu müssen in unsere alten Klischees. Doch warum eigentlich?
Die Antwort liegt auf der Hand: weil und die anderen sonst nicht mehr wiedererkennen würden. Doch eigentlich haben wir doch genau DANN unser Ziel erreicht: wir haben uns tatsächlich erfolgreich verändert, wir haben uns gewandelt, wir sind ein neuer, anderer Mensch.
Der Impuls könnte sein, es sich einfach mal (und dann immer wieder und immer öfters) zu erlauben, andere Rollen auszuprobieren, andere, lustigere, fröhlichere, lebendigere Rollen anzuziehen und (vorübergehend) zu leben.
Wir können und das Leben vorstellen wie ein Klamottengeschäft und wir suchen uns ein schönes Kleidungsstück aus, das uns gut gefällt (eine Rolle, die wir (in DIESEM Leben) gerne noch einmal ausprobieren und kennenlernen möchten - bevor wir irgendwann das Zeitliche segnen). Und dann gehen wir in die Umkleidekabine, ziehen das Kleidungsstück (die Rolle) an, bewegen uns in ihr, betrachten uns im Spiegel (probieren die Reaktionen unseres Umfelds aus), schauen im Spie-gel, wie WIR SELBST UNS gefallen (wie wir selbst uns jetzt fühlen) und entscheiden dann, ob wir diese Klamotte (Rolle) im Store des Universums „kaufen“ (und gleich anlassen) oder noch etwas Neues an- und ausprobieren möchten.
Wir dürfen uns davon lösen, derjenige/diejenige sein und bleiben zu MÜSSEN, der wir jetzt in diesem Moment sind (mit all seinen/ihren Problemen). Wir dürfen neue Kostüme, neue Rollen anziehen und ausprobieren. Denn nur mit einem neuen Selbst-Bewusstsein (und jede Rolle hat einen ganz eigenen Charakter) können wir auch tatsächlich NEUE Erfahrungen machen.
Und wir MÜSSEN die Reaktionen dann NICHT so bitter ernst nehmen. Wir müssen NICHTS persönlich nehmen, denn es betrifft uns als Person NICHT – nur die Rolle.
Ich sage immer: „Peinlichkeit ist Lebensfreude …“ Es sind einfach nur Reaktionen auf diese Rolle und zu dieser neuen Rolle gehört auch, dass sie vollkommen anders mit Kritik umgeht, viel sponta-ner, schlagfertiger, frecher und humorvoller. Halt lebendiger und lebensfroher …
Versuch macht klug. Probieren geht über studieren. Einfach mal etwas Neues ausprobieren und etwas Neues (eine neue Rolle) „anziehen“ und es sich erlauben, mit gutem Gewissen jemand anderes ZU SEIN …