Donnerstag, 24. Januar 2019
Wahrheit und Selbsterkenntnis
Was ist Wahrheit?

Wenn wir von Wahrheit sprechen, so verbinden wir hiermit „die Wahrheit“. Wir Menschen glauben, es gäbe die eine, große Wahrheit. Diese gibt es auch, doch ist sie für uns Menschen nicht sichtbar, nicht erkennbar, nicht wahrnehmbar - wenn, dann allenfalls spürbar. Die eine, große Wahrheit ist die Wahrheit der allumfassenden, universalen Liebe. Und da die universale Liebe selbst formlos und unsichtbar ist, muss auch die Wahrheit dieser Liebe unsichtbar und formlos sein. Wir können sie nicht erfassen, bemessen, werten oder beurteilen.

Jeder hat seine eigene Wahrheit

Dies ist zumindest meine Wahrheit. Denn jenseits dieser allumfassenden einen Wahrheit hat jeder Mensch seine individuelle ganz eigene Wahrheit. Es gibt die eine große, allumfassende Wahrheit des Formlosen, der Schöpfung, des universalen Bewusstseins. Und parallel hierzu gibt es unendlich viele individuellen Ausprägungen dieser einen Wahrheit als mannigfaltige Wahrheiten in der Welt der Formen. Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze hat ihre ganz eigene Wahrheit.

Für den Walfisch gilt eine andere Wahrnehmung und eine andere Wahrheit als für den Papagei. Und für den Pinguin gilt eine andere Wahrheit als für die Giraffe. Und für den Maulwurf eine andere als für den Schmetterling. Für jedes Tier ist etwas anderes wahr. Und ebenso ist für jeden Menschen (je nach Kultur, Land, Klimazone und Sozialisation) etwas anderes wahr. Und sogar innerhalb einer homogenen Gesellschaft variieren die Wahrheiten je nach Alter, Geschlecht, Neigungen, persönlichen Vorlieben und Fähigkeiten.

Ich kann Deine Wahrheit nicht kennen

Begegnen wir einem anderen Menschen und unterhalten uns mit ihm, so kriegen wir leicht den Punkt zu fassen, an dem haben wir das Gefühl, zu erkennen, was für den anderen hilfreich, richtig und wichtig sein könnte/wäre. Gerade Menschen mit einer Neigung, anderen Menschen helfen zu wollen, sowie auch Menschen in heilerischen und helfenden Berufen, glauben oftmals zu wissen, was der andere jetzt braucht. Dieses Phänomen ist sehr spannend …

Und wenn der eine dann dem anderen „die Wahrheit“ erzählt, erleben wir immer wieder, wie wir zurückgewiesen werden. Es ist frustrierend für uns selbst, wenn der andere die Wahrheit einfach nicht hören, nicht berücksichtigen und sich nicht nach ihr verhalten will. Viele Menschen mit spritiuellen Gaben, Fähigkeiten, Talenten und Qualitäten (wie z.B. Hellsichtigkeit) erleben sich selbst als Truth Teller (Wahrheits-Erzähler) und ecken einfach nur immer und immer wieder störend an und ernten Ablehnung und Zurückweisung. Dies ist ärgerlich, frustrierend, deprimierend und macht einem auf Dauer echt schlechte Laune.

Hier können wir nun zu eine neuen Erkenntis gelangen (und von dieser, meiner Wahrheit kann/darf sich jetzt jede/r nehmen, was er/sie möchte):
a) Die wahre Wahrheit ist formlos.
b) Folglich kann sie keiner wissen oder erkennen.
c) Wissen kann ich nur meine Wahrheit.
d) Meine Wahrheit ist formgewordene Wahrheit.
e) Meine Wahrheit gilt nur für mich.

Folglich kann ich die Wahrheit meines Gegenübers nicht wissen und nicht kennen. Es ist allein seine/ihre Wahrheit.

Wenn ich nun das Gefühl habe, zu glauben oder zu wissen, was für den anderen das Beste (oder jetzt das Richtige) ist, so unterliege ich einer Täuschung. Zwar ist es so, dass der andere mir in unserem Gespräch etwas erzählt hat und natürlich ist es auch so, dass ich zu seinen/ihren Worten Assoziationen habe, was er/sie anders oder besser machen könnte, doch es geht hierbei nicht darum, was er/sie anders oder besser machen könnte, sondern der andere dient lediglich mir selbst als Projektionsfläche. Meine Erkenntnisse über den anderen sind eben keine Erkenntnisse über den anderen, sondern es sind Erkenntnisse über mich selbst!

Mich selbst erkennen

Das, was ich erkenne, was der andere anders oder besser machen sollte, kann/darf/sollte ich lieber selbst anders oder besser machen in meinem eigenen Leben. Es ist müßig, dem anderen zu predigen, was er/sie tun oder lassen sollte. Es ist sinnlos, missionieren und meine Wahrheit meinem Gegenüber überstülpen zu wollen. Das einzige, was sinnvoll ist, ist ein Satz (eine Erkenntnis) wie: „Oh, danke. Bei Deinen Worten erkenne ich mich selbst. Jetzt weiß ich, was ich in meinem Leben anders machen kann.“ Und dann kann ich natürlich von mir erzählen, was ich für mich erkannt habe und was ich in meinem Leben anders oder besser machen möchte. Und dies zu erzählen ist auch gut. Es hat aber nichts mehr von missionieren oder predigen, sondern es ist lediglich ein sich (mit)teilen. Ich will dann nichts vom oder für den anderen (erreichen). Und der anderen kann sich seinerseits von meinen Worten und Erkenntnissen diejenige Wahrheit für sich nehmen, die er/sie sich gerne nehmen möchte.

Andere dienen mir als Spiegel

Im Extremfall würde dies bedeuten: Jeder Helfer und Heiler, der sich dieser Zusammenhänge nicht bewusst ist, „benutzt“ seine Klienten, um sich selbst zu entwickeln. Doch er/sie entwickelt sich selbst eben nicht, denn er/sie doktert ja ständig an den Problemen seiner/ihrer Klienten herum und weiß nicht, dass all dies nur Spiegel für die eigenen noch unter dem eigenen Teppich liegenden Probleme sind.

Sicherlich ist ein solcher Helfer/Heiler dennoch gut in seinem Bereich. Er/sie ist feinfühlig, sensibel und kompetent. Wenn er/sie jedoch seine/ihre eigenen Probleme gänzlich alle aufgelöst und transformiert hätte, so hätte er/sie keine Lust und keine Motivation mehr, sich weiterhin mit den Problemen seiner/ihrer Klienten zu beschäftigen - denn er/sie bräuchte dann ja keine Spiegel mehr. Helfer/Heiler müssen also ihre eigenen Probleme noch länger (unbewusst) behalten, damit sie weiterhin kompetent helfen und heilen können.

Wie erlange ich Selbsterkenntnis

Es ist wohl ein Urtrieb des Menschen, sich erkennen und Selbst-Erkenntnis erlangen zu wollen: Erkenne Dich selbst. Wege der Selbsterkenntnis. Sich selbst (im anderen) erkennen. Doch was suchen wir eigentlich? Was wollen wir erkennen? Welche Wahrheit wollen wir über uns heraus finden?

Wollen wir unser Selbst erkennen, so gibt es einmal unser egoisches Selbst (unsere Identifikation) und es gibt unser Höheres Selbst (die Essenz unseres Seins). Ein wichtiger Spruch/Leitsatz auf unserem Weg zu Selbsterkenntnis ist: Ich weiß, wer ich bin, wenn ich weiß, wer ich nicht bin. Doch was bedeutet dies eigentlich wirklich?

Mein weltliches Selbst

In meinem Alltagsleben kann ich meine Abneigungen und Vorlieben leicht erfahren und erleben. Ich habe einen bestimmten Kleidungsstil, ein anderer Stil gefällt mir nicht. Ich fahre ein bestimmtes Auto, alle anderen Automarken gefallen mir nicht. Ich habe bestimmte Hobbys, anderen Freizeitbeschäftigungen gefallen mir nicht. Ich liebe bestimmtes Speisen und Getränke, anderes Essen und Trinken mag ich nicht. Auch höre bestimmte Musik und gucke bestimmte Filme, andere Musikrichtungen und andere Filme mag ich nicht. Ich übe einen bestimmten Beruf aus und gehe einer bestimmten Tätigkeit nach, andere Berufe und Tätigkeiten interessieren/liegen mir nicht. Auf diese Weise weiß ich, wer ich hier auf der Erde als Mensch bin. Ich habe ein Bild von mir und die anderen auch. Ich bin ein Mensch mit diesen Qualitäten, Charaktereigenschaften, Neigungen und Vorlieben.
Ist dies mein Selbst? Bin ich dies? – Ja, dies ist mein weltliches Ich, mein egoisches Selbst. Doch wo finde ich nun mein wahres Ich? Wo finde ich mein spirituelles Selbst?

Mein Höheres Selbst

Auch hier gilt: Ich weiß, wer ich bin, wenn ich weiß, wer ich nicht bin. Und ich habe mich in dieser Welt erlebt, erfahren und kennengelernt als jemand, der bestimmte Formen mag und andere Formen weniger liebt. Mein spirituelles Selbst kann ich jedoch nicht finden! Ich kann es deshalb nicht finden, weil es formlos ist! Und etwas, was ohne Form ist, kann ich nicht erkennen. Mit etwas Formlosem kann ich mich nicht identifizieren.

Meine Suche nach meinem wahren Selbst muss also erfolglos bleiben. Ich werde mein wahres Selbst niemals finden können, weil es für mich als Mensch immer formlos und unsichtbar bleiben wird. Natürlich kann ich mich aus meinem Herzensfeld heraus in meinem Selbst erkennen – doch eigentlich auch wieder nicht, denn erkennen kann ich nur etwas, was außerhalb von mir ist. Und mein Herzensfeld und mein wahres Selbst sind eins. Deshalb kann auch ich als Herzensfeld mein wahres Selbst nicht erkennen – sondern ich kann es nur sein.

Es gibt nichts zu erkennen

Folglich bleibt die einzige Erkenntnis für mich als Mensch: Alles, was ich erkennen kann, bin nicht ich. Alles, was ich erkennen kann, ist nicht die wahre Wahrheit. Alles, was ich suchte, werde ich niemals finden können, weil es formlos ist. Ich kann also meine Suche jetzt beenden - ich habe schon gefunden. Doch ich weiß eben nicht, dass ich bereits gefunden habe, weil ich nicht bemerke, dass das Formlose, was ich bin, schon jetzt bei und in mir ist.

Ich kann erkennen, dass es nichts zu erkennen gibt. Alles, worüber ich Erkenntnis haben wollte, werde und kann ich niemals erkennen, weil es unerkennbar (formlos) ist und immer beliben wird. Ich bin, was ich nicht bin – bleibt mir als Fazit.

Der Weg der Selbsterkenntnis ist also ein Weg hin zu einem Ziel, das wir als Menschen niemals erreichen können. Zugleich braucht es weder den Weg noch das Ziel, denn das, was ich zu erkennen suchte, ist schon seit Anbeginn der Tage in mir. Mein Irrtum lag lediglich darin, dass ich es außerhalb von mir zu erkennen suchte. Die Wahrheit ist, es jetzt in mir zu spüren (jenseits des sinnlichen Wahrnehmens und jenseits des etwas in Worte fassens, jenseits meines Verstandes).

Somit habe ich – schwupp – gleich mehrere wundervolle Erkenntnisse erlangen können …

Meine Wahrheit ist einzig und allein meine Wahrheit.
Die wahre wahrheit bleibt unsichtbar formlos.
Mein wahres Selbst werde und kann ich niemals erkennen.
Alles, was ich erkenne, ist ein Aspekt (eine Form), aber nicht Wahrheit und Selbst.

Ich kann aufhören, Wege zu gehen und Ziele zu verfolgen, um mich zu finden. Im Jetzt sind Wahrheit und mein göttliches Selbst bereits enthalten.

Und wenn wir erkennen: Es gibt nichts zu erkennen, dann können wir noch einen kleinen Trick einfügen: Es gibt Nichts zu erkennen. Das einzige, was es zu erkennen gibt, das ist das Nichts – das Feld des reinen, formlosen Potenzials. Und dies ist eben nichts. Das Nichts ist nichts. Und wir selbst sind dieses Nichts – und damit zugleich alles … Was auch immer aus dieser Erkenntnis nun hervortreten darf …